Am 20.Mai war es wieder soweit. Mein Treptower Schwimmverein richtete erneut den Wettbewerb „Klein Olympia“ aus, an dem Kinder und Jugendliche aus vielen Berliner Sportclubs teilnehmen. Und wir mittendrin! Grace, Yen, Marie, Iman und Nick waren voller Vorfreude, wir Lehrerinnen und Betreuer aufgeregt und schon gespannt. Dies traf natürlich auch auf die Eltern zu, denn wie immer ist es auch für sie ein besonderes Erlebnis, ihre- besonderen- Kinder inmitten der anderen zu sehen.
Wir haben lange für diesen Wettkampf geübt. Jedes Kind hat seine Stärken, Yen schwimmt sehr gut auf dem Rücken, Marie bevorzugt das Brustschwimmen. Nick beherrscht diese Lage auch, aber wie sich später zeigte, wollte er sein Können auch anders unter Beweis stellen. Iman liebt das Wasser, aber wozu muss man seine Arme bewegen, wenn es auch ohne geht? Gracie wird immer auf den Freisildistanzen gemeldet- denn da wird geschwommen, wie man es kann oder mag.
Jedes Kind darf zweimal an den Start gehen, für uns bedeutet es, einmal mit, einmal ohne Brett zu schwimmen. Doch zuvor wurden die Mannschaften vorgestellt, und wir – natürlich in den Burgdorf- Schule- T- Shirts – winkten fröhlich in die Runde. In der Halle waren ca. 200 Kinder und Betreuer, es war laut, es war voll, und es war warm. Yen, Iman, Marie und Grace waren auch im letzten Jahr dabei, und Nick wollte, dass es gleich so richtig losgeht. Aber wie es sich für einen richtigen Wettkampf gehört, wurden zunächst die Regeln erörtet, und es gab auch eine Mannschaftsleitersitzung. Hier gab ich den Hinweis, dass unsere Schüler vielleicht nicht immer regelkonform schwimmen werden, und manches an ihrem Verhalten ungewohnt sein könnte. Uns einte jedoch alle die Gewissheit, dass unsere Teilnahme der gelebte Beweis für eine erfolgreiche Inklusion ist. Darauf können wir stolz sein, sind dem Verein dankbar für die Möglichkeit, hier teilnehmen zu dürfen.
Marie war als erste am Start. Sie war besonders aufgeregt, denn ihre Zielprämie war ein kleines Gummiherz in weiß. Damit stand Frau Gernand auf der anderen Seite des Beckens- Marie hatte also alles im Blick. Und sie ist ganz prima geschwommen- mit einem Lächeln. Später folgten dann Yen und Nick. Iman schwimmt besonders gern, wenn die Belohnung essbar ist. In diesem Fall hatte Wiebke, seine Betreuerin aus dem Haus Jona, ein köstliches Würstchen in der Hand, und nach dem Rennen verschwand es augenblicklich in seinem Mund. Und Gracie? Sie macht ja sonst gern ein Päuschen an der Leine, aber diesmal schwamm sie durch, auch weil die Organisatoren dafür gesorgt hatten, dass unsere Schüler immer auf den Randbahnen schwimmen konnten. So lief ich stets neben ihnen her, konnte bei Bedarf helfen und natürlich anfeuern.
Die Atmosphäre in der Halle ist einzigartig. Applaus bekommen alle Sportler, die Großen ebenso wie die Kleinen, die Langsamen ebenso wie die Schnellen. Zwischen den Läufen gab es die ersten Siegerehrungen, und Marie bekam als erste von uns ihre Goldmedaille, stolz stand sie auf dem Siegerpodest. Natürlich mit ihrem Herz, übersprudelnd vor Glück.
Aber da war ja noch eins, und die zweiten Strecken wurden aufgerufen. Jetzt redete Marie ununterbrochen, vergewisserte sich, ob Frau Gernand auch wirklich das andere, blaue Herz in der Hand hielt. Kurz vor dem Startsignal wollte sie noch wissen, ob auch Wasser im Becken sei. War es. Und so schwamm sie ihrer zweiten Medaille und dem zweiten Herz entgegen. Da machte es auch nichts, dass der Kopfsprung diesmal nicht gelang.
Die Aufregung und die kurzzeitige Abwesenheit seiner Lehrerinnen machte sich inzwischen Iman zunutze. Er hatte natürlich längst die geöffnete Brotdose einer anderen Schwimmerin entdeckt, die wohl ebenfalls gerade im Wasser war. Also fix die Gelegenheit genutzt und einmal herzhaft vom Brötchen abgebissen, ehe eine von uns zurück war!
Yen wurde schon auf die Startbrücke gerufen, als ihr einfiel, dass sie nochmal zur Toilette musste. Aber auch diese Hürde konnten wir nehmen, die anderen warteten den Augenblick. Danach schwamm Yen ganz wunderbar ihre Rückendistanz, diesmal konnte sogar der Papa zuschauen. Sie winkte ihm und uns zu, die paar Sekunden mehr machten doch nichts!
Und dann startete Nick zu seinem 50m- Lauf. Seine Eltern fieberten ebenfalls am Beckenrand mit. Ich besprach mit Nick nochmal die Details: Kopfsprung, schwimmen auf dem Bauch, eine Bahn hin, eine zurück. Doch was machte er denn da? Gemeldet war er doch für das Brustschwimmen? Nick kraulte ganz wunderbar, und auch schnell. Nun, in diesem Fall gab es für den „Regelverstoß“ fünf Strafsekunden, aber sein Glück- und das seiner Eltern- war dennoch perfekt. Am Ende stand hier Platz 5 zu Buche, und der war aller Ehren wert.
Am Ende eines ereignisreichen Tages hatten alle Kinder aus dem Burgdorfschuleteam mindestens eine Medaille, stolz wurden diese präsentiert. Wir alle waren geschafft, glücklich, und manch eine von uns oder den Eltern verdrückte eine Freudenträne. Und wir haben gezeigt, wieviel Freude es macht, zusammen mit anderen Sportlern an den Start zu gehen. Als unsere Fünf eine Wettkampfpause hatten und sprichwörtlich die Bein baumeln ließen, fragten mich zwei Mädchen, warum Gracie soviel mit den Händen wedelte, Marie mit ihren Herzen spielte und Iman etwas lauter war. Ich erklärte, dass unsere Kinder besonders sind, einige nicht sprechen können, andere Sprache nicht so gut verstehen, sie alle anders, eben behindert sind. Darauf erwiderten die Beiden, dass sie aber dennoch gut schwimmen können. Recht haben sie, und so einfach kann das Miteinander sein.
Es war für uns alle ein Tag, der sich richtig anfühlte. Nachhaltig wirkt er, und wir freuen uns schon auf „Klein Olympia“ 2018.
Anke Lüth
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